Stretta für Klavier und Orchester (2016)
2.2.2.3-4.2.2.1-Pk.Schl(3)-Hf-Klav.solo-10.8.6.6.3(6)
(23 min)
Verlag
Boosey & Hawkes Berlin
Uraufführung
Daniel Barenboim, Staatskapelle Berlin, Zubin Mehta, Berlin, 15. November 2017
Texte
Programmhefttext (2016)
Das Orchester gibt dem Klavier verschiedene Räume. Türen werden geöffnet, Umgebungen erkundet. Im Erkunden entsteht eine Geschichte mit vielen Strängen. Verwirrend verknüpft.
Der (Er)Öffnungs−Gestus ist Grundlage/Ausgangspunkt für den ersten Verdichtungsprozess. Dem Klang des Klaviers werden die Obertöne „genommen“, in einer sichtbaren Handlung des Pianisten. Das Orchester gibt neue Obertöne. Nehmen und Geben erinnern an Rekombination, Mutation.
Nach der initialen „Klangberaubung“ versucht das Klavier, sich einen eigenen Klang(raum) im Orchester zu bauen. Tastend probiert es einige Umgebungen aus, ergänzt oder verändert, sehr zärtlich. Dabei nimmt es fast unmerklich an einem strukturellen Prozess teil.
Strettahafte Verdichtung.
Aus dichten Strukturmomenten entwickeln sich Klangmomente.
Stimmungswechsel.
„Aus den Wolken tritt ein breiter grüner Strahl und zieht sich bis zur Mitte des Himmels hin; wenig später taucht daneben ein violetter Strahl auf, neben diesem ein goldener, dann ein rosafarbener…“
Anton Tschechow, Gussew
Klang ist immer strukturiert (z.B. durch sein Spektrum) und: Struktur ist musikalisch nur durch Klang darstellbar. Was so oft als Antithese gedacht wird, bedingt sich (in der Musik) gegenseitig.
Die Vorstellung entfernt sich meistens weit von der Realität.
„Bei Musik geht es nicht darum, auf Nummer sicher zu gehen. Bei Musik geht es um Mut, und Mut bedeutet Risiko“
Daniel Barenboim, Die Musik − mein Leben
Das Monumentale wird als verfrühter Höhepunkt vorweggenommen, somit wird Platz geschaffen für das Spielerische.
Scheinbar unterschiedliche Episoden erzählen unterschiedliche Geschichten. Irgendwann tritt die konstruktive Vernetzung der Episoden in den Vordergrund und stellt Distanz zu diesen her. Somit wird plötzlich Form erfahrbar, von dem reinen Erleben der Details herausgelöst.
Verschiedene Seiten einer Persönlichkeit, verschiedene Identitäten werden nicht als „postmodernes Spiel“ gezeigt, wo nach Außen verwiesen wird, hin zu unterschiedlichen musikalischen Epochen/Stilen, sondern immer aus der Person heraus und in sie zurückverweisend. Die Außeneinflüsse und Referenzen (welche bei Kunst immer existieren) sind dabei nicht intellektuelles, elitäres Spiel für Eingeweihte. Eher erinnern sie an individuell gefilterte Eigenheiten, die wie unbekannte Aspekte einer Sprache plötzlich als neue Elemente aufblitzen.
„Der absurde Mensch fängt da an … , wo der Geist das Spiel nicht mehr bewundert, sondern mitspielen will. Eindringen in all diese Leben, sie in ihrer Verschiedenartigkeit erforschen − das eigentlich heißt: sie spielen.“
Albert Camus, Der absurde Mensch